Nachhaltig gegen Naturgefahren – Schutzbauten aus Holz
Wegen ihrer vielfältigen Topografie und den geografischen Eigenheiten ist die Schweiz besonders vielen unterschiedlichen Naturgefahren ausgesetzt. So verfügt sie über eine lange Tradition bei der Errichtung von Schutzbauten. Die Konstruktion von Schutzbauten aus Holz wurde über die Jahrhunderte perfektioniert und üblicherweise mit örtlich vorkommenden Baumarten realisiert. Heute werden vielfach Baustoffe wie Stahl, Beton oder Kunststoffe für Schutzbauten verwendet. Dabei ist Holz als Baustoff nicht zu unterschätzen. Überall, wo mittel- und längerfristig die Schutzwirkung von Pflanzen übernommen werden kann, eignet sich Rundholz ausgezeichnet und ist vielfach den heute verwendeten Materialien sogar überlegen, etwa beim Schutz gegen Erosion und Rutschungen oder beim Wildbachverbau. Je nach Anwendungsfall lohnt es sich also, Holz für Schutzbauten ins Auge zu fassen.
Wenn es darum geht, einen Bach zu verbauen oder eine Rutschung zu stabilisieren, setzen Planungsbüros heute lieber auf Stahl, Beton oder Kunststoffe als auf Holz. Denn Holz als ein gewachsener Baustoff erscheint weniger berechenbar und zuverlässig, da er eine variable Festigkeit aufweist und seine Lebensdauer beschränkt ist. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass sich Holz für viele Arten von Schutzbauten eignet und in manchen Fällen den klassisch verwendeten Baustoffen sogar überlegen ist. In welchen Anwendungsgebieten Holz punkten kann und welche Konstruktionen in der Praxis erprobt sind, erläutert im Einzelnen die Publikation «Naturgefahren mit Holz begegnen» der Dachorganisation der Schweizer Wald- und Holzwirtschaft Lignum.
Nachhaltigkeit als Trumpf

Ein Vorteil, der praktisch immer zum Tragen kommt, ist die grössere Nachhaltigkeit des Baustoffs Holz: Der Bau von Wildbachsperren mit Rundholz ist beispielsweise deutlich weniger energieaufwendig und verursacht geringere CO2-Emissionen als jener mit Beton. Falls die Holzbaute aufgrund der tieferen Lebensdauer ersetzt werden muss, schwindet zwar der Energievorsprung, doch punkto Emissionen hat die Holzvariante immer noch die Nase vorn. Dies weil beim Beton schon der Herstellungsprozess viel CO2 freisetzt – während Holz über seine Lebensdauer CO2 speichert. Die Emissionen eines Holzbauprojekts entstehen bei der Verarbeitung und besonders beim Transport. Deshalb wird mit Vorteil Holz aus der Region oder Umgebung der Bauten selbst verwendet. Auch im Schweizer Wald wachsen Holzarten, die für die Verwendung in Schutzbauten dauerhaft genug sind, etwa die Edelkastanie oder Lärche.
Unbehandeltes Rundholz, wie es in Schutzbauten eingesetzt wird, setzt keine Gift- und Fremdstoffe frei. Ein Werk aus diesem natürlichen Baustoff ist weder stofflich noch ästhetisch ein Fremdkörper. Es fügt sich nahtlos in die Umwelt ein und kann nach einigen Jahren teilweise gar nicht mehr als solches erkannt werden. Auch wirtschaftlich ist Holz für Schutzbauten oft die günstigste Lösung. Die Baukosten sind tief, besonders wenn lokale Ressourcen oder gar gemeindeeigene Waldbestände genutzt werden. Und ein allfälliger teurer Rückbau nach Ablauf der Lebensdauer ist meist nicht nötig.

Lebende Bauwerke
Am vorteilhaftesten ist die Verwendung von Holz in Verbindung mit Ingenieurbiologie, also dem planmässigen Einsatz lebender Vegetation. Wird zum Beispiel ein Hang zum Erosionsschutz mit Holzschwellen terrassiert, sollten diese mit längerlebigen Gehölzen begrünt werden. Mit ihren Wurzeln festigen die Pflanzen den Boden und ersetzen die allmählich zerfallenden Bauten. Zudem wird bereits nach kurzer Zeit die durch Wasser ausgelöste Oberflächenerosion reduziert – ganz im Gegensatz zu Betonbauten. Auch bei Verbauungen gegen Hangrutschung kann die Durchwurzelung durch eingesetzte Gehölzpflanzen mit der Zeit die stabilisierende Wirkung übernehmen. Etwa bei Hangrosten, die der Verteilung und Ableitung des Drucks dienen. Oder bei sogenannten Holzkästen, die meist in Kombination mit Hangrosten zur Abstützung verbaut werden. Da wendet sich der grösste Nachteil des Baustoffs Holz, nämlich seine beschränkte Lebensdauer, zu einem Vorteil. Durch die Verwendung lebender Vegetation als Baumaterial kommen solche Rutschungs- und Erosionsverbauungen weitgehend ohne Unterhalt aus und es wird zusätzlich CO2 gespeichert. Wenn die Baute selbst zerfällt, übernehmen die eingesetzten Pflanzen mit ihren Wurzeln die Stabilisierung des Hangs.

Grenzen des Einsatzes von Holzverbauungen
Oft liegen die Grenzen des Einsatzes von Holzverbauungen gerade da, wo die Schutzfunktion nach dem Zerfall des Bauwerks nicht auf lebende Vegetation übertragen werden kann. Denn das Pflanzenwachstum ist oft beschränkt durch eine kurze Vegetationsdauer oder durch geringe Nährstoff- und Wasserversorgung. Lawinenverbauungen sind dafür ein gutes Beispiel. Hier ist Holz das klassisch verwendete Material für Schutzbauten. Je höher man jedoch steigt, desto härter werden die Bedingungen für aufkommende Gehölzpflanzen. Ab einer gewissen Meereshöhe und je nach Standort sind daher Holzverbauungen nicht mehr wirtschaftlich und gegenüber Stahlverbauungen im Nachteil.
Daneben setzen auch die technischen Eigenschaften der verfügbaren Rundholzarten dem Anwendungsgebiet Grenzen. Bei Wildbachverbauungen sind es insbesondere die maximalen Bauhöhen und -breiten, die mit Holz realisierbar sind. Auch die Tragfähigkeit und Festigkeit von Rundholz limitieren die Einsatzmöglichkeiten, weshalb im Einzelfall genau abgewogen werden muss, ob Holz der geeignete Baustoff ist. Besonders wichtig beim Einsatz von Holz ist dabei, das Mikroklima des Standorts zu berücksichtigen, da dies einen entscheidenden Einfluss auf die Dauerhaftigkeit
Anspruchsvoll aber lohnend
Holz ist ein anspruchsvolles Material. Als Naturstoff reagiert es auf seine Umwelt, und diese muss quasi als Teil des Bauwerks in die Planung einbezogen werden. Exakte Berechnungen sind dabei in der Regel nicht möglich, es existieren jedoch seit langem gesammelte, gute Erfahrungswerte. Nicht zuletzt spielt auch die Akzeptanz für diese Art des Bauens eine wichtige Rolle. In dieser Hinsicht hat sich durch Forschung, Information und Sensibilisierung in den letzten 20 Jahren viel getan. Nachhaltigkeit ist zu einem wichtigen Argument geworden. Die Publikation «Naturgefahren mit Holz begegnen» will dabei helfen, die Möglichkeiten und Grenzen von Holz für Schutzverbauungen bekannter und attraktiver zu machen. Es lohnt sich; denn richtig eingesetzt, schützt Holz gegen Naturgefahren nachhaltiger, günstiger und nicht zuletzt auch natürlicher, da es sich organisch in die Umwelt einfügt.