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Rutschungen und Hangmuren

Hangmure (auch spontane Rutschung oder Schlammlawine) trifft auf ein Gebäude

Rutschungen sind hangabwärts gerichtete Bewegungen aus festem und/oder lockerem Gestein auf einer Gleitfläche. Sie treten an mässig bis steil geneigten Hängen auf und sind sehr unterschiedlich – je nach Untergrund, Gesteinsart und Wassergehalt im Boden. Besonders grosse Schäden an Gebäuden sind zu erwarten, wenn die Geschwindigkeit und die Richtung der Bodenbewegung stark variieren. Ist ein steiler Hang mit Wasser gesättigt, kann aus einer flachgründigen Rutschung eine so genannte Hangmure entstehen. Bei Hangmuren kommt zusätzlich zur Massenverlagerung die Gefährdung durch nachfliessendes Wasser hinzu (siehe Murgang). Zum Schutz von Gebäuden vor Rutschungen und Hangmuren steht das Meiden gefährdeter Gebiete (Gefahrenkarten) im Vordergrund. Je nach Situation eignen sich allenfalls Massnahmen an der Gefahrenquelle und am Gebäude selber.

Die nationalen Schutzziele für Neubauten beziehen sich auf die Norm SIA 261/1. Diese Norm legt das 300-jährliche Ereignis fest als Schutzziel für normale Wohn- und Gewerbegebäude (BWK I) gegen gravitative Naturgefahren (Hochwasser, Erdrutsch, Murgang, Steinschlag, Lawine). Zudem sind die kantonalen und kommunalen Vorgaben zu respektieren, wobei diese die Anforderungen der Norm SIA 261/1 in der Regel nicht übersteigen. Konkret muss das Gebäude auch bei seltenen Ereignissen (300-jährlich) intakt bleiben und die sich darin befindenden Personen schützen.

Ab Bauwerksklasse II sind höhere Anforderungen zu erfüllen (Bedeutungsbeiwerte und Höhenzuschläge gemäss SIA 261/1).

Permanente Rutschungen bewegen sich über lange Zeiträume hangabwärts, während spontane Rutschungen plötzlich und schnell abgleiten. Zudem unterscheidet man zwischen flach-, mittel- und tiefgründigen Rutschungen.

Flachgründige Rutschungen bewegen sich auf einer Gleitfläche, die in max. 2 m Tiefe liegt. Dadurch ist das bewegte Volumen beschränkt. Sie werden in der Regel spontan ausgelöst, beispielsweise bei stark durchnässtem Boden nach intensiven Niederschlägen. Beträgt die Tiefe der Gleitfläche 2 bis 10 m, wird die Rutschung als mittelgründig bezeichnet, bei mehr als 10 m Tiefe als tiefgründig. Das bewegte Volumen ist wesentlich grösser als bei flachgründigen Rutschungen. Die auftretenden Kräfte liegen oft in Grössenordnungen, die sich nicht mehr oder nur sehr aufwändig beeinflussen lassen. Bei mittel- und tiefgründigen Rutschungen werden Gebäude in der Regel vollständig von der Bewegung erfasst. Die Grösse und die Gleichmässigkeit der Bewegungen beeinflussen die möglichen Schäden.

Hat die Gleitmasse einen hohen Wasseranteil und bricht plötzlich als dünnflüssiger Brei hangabwärts, wird sie als Hangmure (siehe Murgang) bezeichnet. Sie bewegen sich sehr schnell und können rasch eine zerstörerische Wirkung entfalten. Hangmuren ereignen sich besonders häufig an steilen Hängen mit gering durchlässigen Böden.

Gefährdungsbild 1: flachgründige Rutschung talseitig

Eine flachgründige Rutschung bewegt sich talseitig vom Gebäude weg. Schäden entstehen in der Umgebung des Gebäudes (Leitungen, Zufahrt, Stützkonstruktionen etc.), zudem führen Setzungen im Baugrund zu Schäden am Gebäude selber.

Gefährdungsbild 2: flachgründige Rutschung hangseitig

Eine flachgründige Rutschung bewegt sich auf das Gebäude zu und beansprucht die hangseitige Aussenwand stark. Das kann die Tragsicherheit gefährden. Je nach Volumen und Geschwindigkeit der Erdmasse und der Eigenlast des Gebäudes kann auch die Stabilität des Baugrunds kritisch werden.

Gefährdungsbild 3: mittelgründige Rutschung erfasst einen Teil des Gebäudes

Eine mittelgründige Rutschung, die teilweise unter das Gebäude reicht, führt zu Setzungen und Verkippungen oder Verdrehungen mit Rissbildung im Gebäude. Je nach Art der Fundation und statischem Konzept ist die Tragsicherheit des betroffenen Gebäudes gefährdet.

Gefährdungsbild 4: mittelgründige Rutschung erfasst das ganze Gebäude

Ungleichmässige Setzungen und Verschiebungen bedrohen die Stabilität des Gebäudes. Je nach Art der Fundation und Ausbildung des Tragwerkes entstehen unterschiedliche Verformungen am Gebäude (Setzungen/Hebungen, Verkippung, Rissbildung).

Gefährdungsbild 5: tiefgründige Rutschung mit gleichförmiger, geringer Geschwindigkeit

Die Rutschung erfasst das gesamte Gebäude. Die Bewegung ist jedoch gering und im Bereich des Fundaments horizontal und vertikal gleichmässig. Schäden entstehen in Zonen unterschiedlicher Bewegung am Rand der Rutschung oder im Bereich von Geländemulden und Kuppen.

Gefährdungsbild 6: tiefgründige Rutschung ungleichförmiger, hoher Geschwindigkeit

Die Rutschung erfasst das gesamte Gebäude. Die Bewegung ist schnell und/oder im Bereich des Fundaments  horizontal und vertikal ungleichmässig. Die Tragsicherheit, die Gesamtstabilität (Verkippen) und die Gebrauchstauglichkeit des Gebäudes sind stark gefährdet.

Gefährdungsbild 7: Hangmure erfasst das Gebäude

Die Hangmure gleitet plötzlich und mit hoher Geschwindigkeit ab. Zur Kraft der bewegten Erdmasse (Gefährdungsbild 2) kommt die Gefährdung durch nachfliessendes Wasser hinzu (siehe Gefährdungsbilder Murgang).

Verkippen

Flachgründige bergeseitige Rutschung führte zu einem Verkippen/Verdrehen des Blockbaus:

Bildung von Rissen

Wegreissen und Verschieben von Gebäudeteilen:

Das Gebäude hält den einwirkenden Kräften einer Rutschung nicht stand und wird teilweise oder vollständig zerstört.

Konzeptionelle, verstärkende und stabilisierende Massnahmen können das Personen- und Sachwertrisiko erheblich senken. Bei Neubauten hat die Wahl eines sicheren Standorts erste Priorität. Bestehende Gebäude lassen sich allenfalls durch die Stabilisierung der Rutschung oder durch bauliche Vorkehrungen schützen. Mögliche Massnahmen reichen von der Terraingestaltung, Verstärkungen der Fundation und des Tragwerks über die Ausgestaltung von Leitungen, das Abführen von Meteorwasser bis zum Nutzungskonzept der Innenräume.

Ist das Gebäude durch spontane Rutschungen und Hangmuren gefährdet, sollten Sie die Gebäudehülle wasserdicht ausgestalten sowie Aussenräume und Zugänge mit hoher Aufenthaltszeit im Bereich anordnen, wo sie durch das Gebäude geschützt sind.

Vorschläge für Schutzmassnahmen zu einzelnen Bauteilen und zum konzeptionellen Vorgehen:

Naturgefahren-Check

ASTRA (2012): Naturgefahren auf den Nationalstrassen: Risikokonzept. Methodik für eine risikobasierte Beurteilung, Prävention und Bewältigung von gravitativen Naturgefahren auf Nationalstrassen, Bundesamt für Strassen, Bern.

BAFU [Hrsg.] (2016): Schutz vor Massenbewegungsgefahren. Vollzugshilfe für das Gefahrenmanagement von Rutschungen, Steinschlag und Hangmuren. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Vollzug Nr. 1608: 98 S.

Egli, Th. (2005): Wegleitung Objektschutz gegen gravitative Naturgefahren. Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen, Bern.

PLANAT (2009): Risikokonzept für Naturgefahren. Nationale Plattform Naturgefahren, Bern.

Präventionsstiftung der Kantonalen Gebäudeversicherer (2014): Prevent-Building – eine Methodik und ein Werkzeug zur Beurteilung der Wirksamkeit und Zumutbarkeit von Objektschutzmassnahmen an Gebäuden gegen gravitative und meteorologische Naturgefahren. Bericht Phase 1 mit Anpassungen aus Phase 2. Arbeitsgemeinschaft Prevent-Building: WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Egli Engineering AG, Geotest AG, B,S,S,. Volkswirtschaftliche Beratung, Version 12.05.2014. (Download)

Suda J. und Rudolf-Miklau F. (Hrsg.) (2012): Bauen und Naturgefahren, Handbuch für konstruktiven Gebäudeschutz. Springer, Wien.

Staub, B. (2017): Gebäudeschutz gegen Naturgefahren. FAN Agenda 2/2017. Fachleute Naturgefahren Schweiz. (Download)

Arbeitsgruppe Geologie und Naturgefahren (1998): Geologische Naturgefahren in der Schweiz. Separatdruck aus: Bulletin für angewandte Geologie 3/1, ISSN 1420-6846.

Lang, H.-J. et al. (2010): Bodenmechanik und Grundbau. Das Verhalten von Böden und Fels und die wichtigsten grundbaulichen Konzepte, 9. bearbeitete Auflage, Springer Verlag, Berlin

Smoltczyk, U. [Hrsg.] (2009): Grundbau Taschenbuch, 7. Auflage, Teil 1, Geotechnische Grundlagen, Ernst und Sohn, Berlin.

Smoltczyk, U. [Hrsg.] (2009): Grundbau Taschenbuch, 7. Auflage, Teil 3, Gründungen und geotechnische Bauwerke, Ernst und Sohn, Berlin.

Veder, Ch. (1979): Rutschungen und ihre Sanierung. Springer Verlag, Wien / New York.

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