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Hochwasser

Erhöht gebautes Gebäude ist im Sockelbereich robust und wasserdicht

Nach heftigen oder lang anhaltenden Niederschlägen können Bäche, Flüsse und Seen über die Ufer treten und Überschwemmungen verursachen. Wasser und Schwemmgut entwickeln dabei enorme Kräfte und können Gebäude stark beschädigen. Auch Feuchtigkeit und Schmutz hinterlassen grosse Schäden am Innenausbau und an technischen Einrichtungen. Besonders in Untergeschossen, Liftanlagen und auf Fluchtwegen sind Personen gefährdet. Permanent installierte baulich-konzeptionelle Massnahmen bieten den zuverlässigsten und wirksamsten Schutz und sind deshalb meist die beste Option.

Naturgefahren-Check
Normen und Richtlinien

Die nationalen Schutzziele für Neubauten beziehen sich auf die Norm SIA 261/1. Diese Norm legt das 300-jährliche Ereignis fest als Schutzziel für normale Wohn- und Gewerbegebäude (BWK I) gegen gravitative Naturgefahren (Hochwasser, Erdrutsch, Murgang, Steinschlag, Lawine). Zudem sind die kantonalen und kommunalen Vorgaben zu respektieren, wobei diese die Anforderungen der Norm SIA 261/1 in der Regel nicht übersteigen. Ab Bauwerksklasse II sind höhere Anforderungen zu erfüllen und zusätzlich auch Extremhochwasser (EHQ) zu berücksichtigen.

Die Norm SIA 261/1 schliesst im Überbegriff «Hochwasser» auch Überschwemmungen durch Oberflächenabfluss explizit ein.

Die Anstiegsgeschwindigkeit va beschreibt die Schnelligkeit, mit der das Wasser bei Überschwemmungen ansteigt. Dieser Wert ist entscheidend für die Einschätzung der Bedrohung von Personen in und ausserhalb von Gebäuden. Bei Überschwemmungen wegen Verklausung (Verstopfung durch Schwemmgut bei Brücken, Durchlässen und Engstellen), bei Dammbrüchen oder der Verlagerung eines Gerinnes ist die Anstiegsgeschwindigkeit hoch.

Bauwerksklasse BWK: Bauwerke werden gemäss SIA 261 Ziffer 16.3 in drei Bauwerklassen (BWK I-III) eingeteilt. Die Bauwerksklasse dient in einfacher Art und Weise zur Abstufung des Schutzgrades entsprechend des Risikos.

Bedeutungsbeiwert γf: Beiwert zur Gewichtung der Bauwerksklasse für die Bemessung.

Die Fliessgeschwindigkeit vf kann bei Überschwemmungen in steilem Gelände (≥ 5-10 %) über 2 m/s erreichen. So hohe Geschwindigkeiten treten insbesondere entlang kanalisierter Bereiche auf (z.B. Strassenzüge und Trockenrinnen). In flacherem Gelände (< 2 %) reduziert sich die Geschwindigkeit auf deutlich unter 2 m/s.

Höhenzuschlag hγ: Zuschlag zur Gewichtung der Bauwerksklasse für die Bemessung.

Die Rückstauebene ist die höchste Ebene, bis zu der das Wasser in einer Entwässerungsanlage ansteigen kann. Es wird unterschieden zwischen: a) errechneter Rückstauebene gemäss Generellem Entwässerungsplan (GEP) und b) maximal möglicher Rückstauebene. Letztere entspricht der maximalen Fliesshöhe.

Der Schutzgrad wird durch die Einteilung des Bauwerks in eine Bauwerksklasse (BWK) I, II oder III gemäss SIA 261 festgelegt.

Die Stauhöhe hstau gibt an, wie stark sich die Fliesshöhe beim Zufliessen auf ein Hindernis zusätzlich erhöht.

Die Überschwemmungsdauer beginnt zum Zeitpunkt der Benetzung mit Wasser und endet, wenn sich das Wasser vollständig zurückzieht.

Vorwarnzeit: Dauer von der Gefahrenerkennung bis zum Überschwemmungsbeginn.

Die Wellenhöhe hwellen bei Seehochwasser ist zu berücksichtigen.

Die Wirkungshöhe hwi wird ermittelt, indem die Fliesshöhe hf mit dem Höhenzuschlag hγ, der Stauhöhe hstau und der Wellenhöhe addiert werden.

Zur Bemessung von Objektschutzmassnahmen braucht es Angaben zu Überschwemmungshöhe, Fliessgeschwindigkeit und allfälligem Schwemmgut. Diese Angaben finden sich in den Intensitätskarten und im technischen Bericht zur Gefahrenkarte (siehe auch: Lesehilfe Gefahrenkarte der PLANAT).

Wo keine Intensitätsangaben existieren, muss eine Fachperson diese bestimmen. Gegebenenfalls braucht es Untersuchungen zur lokalen Gefährdung. Bei Fliessgeschwindigkeiten > 0.5 m/s und Fliesstiefen > 25 cm ist eine Fachperson beizuziehen. Bei intensiv genutzten Untergeschossen (Personengefährdung, sensible Einrichtungen wie Server oder Haustechnik) empfiehlt sich ein höherer Schutz.

Gefährdungsbild 1: Statische Überschwemmung

Bei sehr geringer Fliessgeschwindigkeit (v < 1 m/s) spricht man von statischer Überschwemmung. Schäden entstehen durch den Druck des Wassers auf die Gebäudehülle und die Bodenplatte (Auftrieb). Dieser hydrostatische Druck wächst mit zunehmender Überschwemmungshöhe an.

Hochwasser Gefährdungsbild 1: statische Überschwemmung

Gefährdungsbild 2: Dynamische Überschwemmung

Bei mittleren bis hohen Fliessgeschwindigkeiten (v > 1 m/s) spricht man von dynamischer Überschwemmung. Neben dem hydrostatischen Druck wirken auch das fliessende Wasser (hydrodynamischer Druck) und das am Gebäude aufprallende Schwemmgut (Baumstämme, Geschiebe).

Hochwasser Gefährdungsbild 2: dynamische Überschwemmung

Gefährdungsbild 3: Dynamische Überschwemmung mit Erosion und Schwemmgutablagerung

Bei hohen Fliessgeschwindigkeiten (v > 2 m/s) kommt es zu Erosion. Wo das Wasser wieder langsamer fliesst, wird mitgeführtes Material abgelagert. Erosion tritt vor allem entlang stark kanalisierter, geneigter Abflusswege auf (Strassenzüge in Siedlungen) sowie an Bächen und Flüssen. Erosion kann Fundamente freilegen oder unterspülen. Abgelagertes Material wirkt als zusätzliche Auflast (relevant für Tiefbauten wie Tiefgaragen).

Hochwasser Gefährdungsbild 3: dynamische Überschwemmung mit Feststofferosion (Kolk)

Gefährdungsbild 4: Ufererosion und Gerinneverlagerung

Legt die Erosion das Fundament frei, ist die Stabilität eines Gebäudes akut gefährdet. Mit der grösseren Angriffsfläche erhöht sich die Einwirkung des Wassers und des Schwemmguts. Verlagert sich der Fluss- oder Bachlauf, können sich die Abflusswege binnen kürzester Zeit ändern und bislang ungefährdete Gebiete erreichen.

Hochwasser Gefährdungsbild 4: Ufererosion und Gerinneverlagerung

Gefährdungsbild 5: Uferrutschung

Rutschungen im Ufergebiet werden ausgelöst, wenn sich ein Flussbett aufgrund grosser Wassermassen vertieft. Gefährdung und mögliche Schutzmassnahmen siehe Rutschung. Erreicht das Hochwasser das Gebäude, sind auch die Einwirkungen gemäss Gefährdungsbild 4 zu berücksichtigen.

Hochwasser Gefährdungsbild 4: Ufererrutschung

Gefährdungsbild 6: Grundwasser

Das Grundwasser steigt nach starkem Regen und Hochwasser an und tritt über Öffnungen und undichtes Mauerwerk in Untergeschosse ein. In Extremfällen kann es bis über die Terrainoberfläche ansteigen und über das Erdgeschoss ins Gebäude gelangen. Ein Anstieg des Grundwassers kann auch zum Aufschwimmen des Gebäudes und damit zu statischen Problemen führen.

Überflutung infolge aufsteigendem Grundwasser. Das Wasser durchdringt Bodenplatte, Kellerwände und gelangt über Öffnungen ins Haus.

Gefährdungsbild 7: Kanalisationsrückstau

Ist das Kanalisationssystem überlastet, kann es zu einem Rückstau kommen.

Überschwemmung infolge überlasteter Kanalisation

Eintrittswege von Wasser in Gebäude

Eintrittswege von Wasser im Fall einer Überschwemmung
  1. Wasser durchdringt Kellerwände / Bodenplatte
  2. Wasserrückstau aus der Kanalisation
  3. Wasser dringt durch undichte Hausanschlüsse (Rohrwege, nicht druckwasserdicht ins Mauerwerk eingebettete Kabel) oder durch undichte Fugen
  4. Wasser strömt durch Lichtschächte und Kellerfenster
  5. Wasser durchsickert die Aussenwand
  6. Wasser dringt durch Tür- und Fensteröffnungen
  7. Wasser / Feuchtigkeit durchdringen die Fassade bei starkem Regen mit Sturm
  8. Wasser dringt über das Dach und den Balkon in das Gebäude ein
  9. Hagel / Blätter verstopfen die Entwässerungseinrichtungen und führen so zum Eindringen von Wasser in das Gebäude (siehe Punkte 4, 5 und 6)

Als Folge von kurzzeitigem Stau bei starkem Regen auf Flachdächern und Balkonen kann Wasser in Räume eindringen oder die Konstruktion beschädigen (Leichtbauweise).

Bei Vernässung und Ablagerung von Schlamm verlieren Gebäudeausbauten (Böden, Wände, Decken), Installationen und Gebäudeinhalte ganz oder teilweise ihren Wert. In Einzelfällen kann auch das Tragwerk betroffen sein. Vernässung wirkt in der Regel über die maximale Überschwemmungshöhe hinaus: Wegen der Kapillarität in Wänden und durch das Verdunsten von Wasser sind auch Bereiche oberhalb der Überschwemmungshöhe betroffen. Alle löslichen und nicht löslichen Stoffe, die das Wasser mitführt, verursachen erhebliche Verschmutzung. Produkte aus Holz, Papier, Textilien oder Gips erleiden Totalschaden, wenn sie Wasser aufsaugen. Kurzschlüsse bei elektrischen Einrichtungen können zudem Brände auslösen, technische Einrichtungen zerstören und Personen gefährden. Weitere Schäden können durch chemische Reaktionen mit gelagerten Stoffen oder durch die Einlagerung von Fest- und Geruchsstoffen entstehen.

Katalog der gegen Überflutung widerstandsfähigen Aussenwand-, Decken- und Fussbodenkonstruktionen

Die Terraingestaltung ist die wichtigste Massnahme zur Verhinderung von Überschwemmungsschäden. Massgebend für die Planung ist die Höhe des zu erwartenden Wasserspiegels (Schutzhöhe, Wellengang durch dynamisches Fliessverhalten berücksichtigen!).

Zusätzlich stehen drei Schutzkonzepte zur Wahl:

  • Abschirmung: Das Wasser wird mit Barrieren (Dämme, Betonmauern) oder durch Höherlegung des Gebäudes ferngehalten. Solche Schutzmassnahmen dürfen die Gefährdung auf benachbarten Grundstücken nicht erhöhen.
  • Abdichtung: Das Gebäude wird wasserdicht als weisse oder schwarze Wanne gebaut. Notwendige Öffnungen werden über der Schutzhöhe angeordnet. Die Fassade ist bis auf die Schutzhöhe nässeunempfindlich auszubilden. Schäden entstehen, wenn die Gebäudehülle verschmutzt wird oder Gegenstände mit grosser Geschwindigkeit auf das Gebäude prallen.
  • Nasse Vorsorge: Die Überschwemmung des Gebäudes wird bewusst zugelassen. Durch die Verwendung wasserunempfindlicher Materialien im Innenausbau und durch angepasste Gebäudenutzungen wird der Schaden gering gehalten. Die nasse Vorsorge wird vornehmlich bei bestehenden Gebäuden mit Auftriebsproblemen angewandt, um noch grössere Schäden (Bruch der Bodenplatte) zu verhindern.
Generell ist zwischen permanent und temporär wirkenden Vorkehrungen zu unterscheiden.

Zu beachten: Temporäre Schutzmassnahmen sind nur bei langer Vorwarnzeit (mehrere Stunden bis Tage) sinnvoll und erfordern eine einwandfreie und langfristig gesicherte Notfallorganisation.

Vorschläge für Schutzmassnahmen zu einzelnen Bauteilen sowie zum konzeptionellen Vorgehen:

Naturgefahren-Check

ASTRA (2012): Naturgefahren auf den Nationalstrassen: Risikokonzept. Methodik für eine risikobasierte Beurteilung, Prävention und Bewältigung von gravitativen Naturgefahren auf Nationalstrassen, Bundesamt für Strassen, Bern.

Egli, Th. (2005): Wegleitung Objektschutz gegen gravitative Naturgefahren. Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen, Bern.

PLANAT (2009): Risikokonzept für Naturgefahren. Nationale Plattform Naturgefahren, Bern.

Präventionsstiftung der Kantonalen Gebäudeversicherer (2014): Prevent-Building – eine Methodik und ein Werkzeug zur Beurteilung der Wirksamkeit und Zumutbarkeit von Objektschutzmassnahmen an Gebäuden gegen gravitative und meteorologische Naturgefahren. Bericht Phase 1 mit Anpassungen aus Phase 2. Arbeitsgemeinschaft Prevent-Building: WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Egli Engineering AG, Geotest AG, B,S,S,. Volkswirtschaftliche Beratung, Version 12.05.2014. (Download)

Suda J. und Rudolf-Miklau F. (Hrsg.) (2012): Bauen und Naturgefahren, Handbuch für konstruktiven Gebäudeschutz. Springer, Wien.

Staub, B. (2017): Gebäudeschutz gegen Naturgefahren. FAN Agenda 2/2017. Fachleute Naturgefahren Schweiz. (Download)

BWW (1997): Empfehlungen Berücksichtigung der Hochwassergefahren bei raumwirksamen Tätigkeiten. Bundesamt für Wasserwirtschaft / Bundesamt für Raumplanung / Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, EDMZ, Bern.

Böll, A. (1997): Wildbach- und Hangverbau. Bericht Nr. 343, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Birmensdorf.

BWK (2005): Mobile Hochwasserschutzsysteme - Grundlagen für Planung und Einsatz. Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK), Sindelfingen.

Egli, Th. (1996): Hochwasserschutz und Raumplanung. ORL-Bericht Nr. 100, vdf Hochschulverlag an der ETH, Zürich.

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Fachkommission Technischer Elementarschutz (FTE) (2012): Themenblatt 1-1, Bewertung der Erstellungssicherheit von temporären Objektschutzmassnahmen, Bern. (Excel Bewertungsblatt)

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Hochwasserschutzfibel (2018): Objektschutz und bauliche Vorsorge. 8. Auflage. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Berlin.

IKSR (2002): Hochwasservorsorge – Massnahmen und ihre Wirksamkeit. Internationale Kommission zum Schutz des Rheins, Koblenz.

IRV (2008): Ereignisanalyse Hochwasser 8./9. August 2007. Interkantonaler Rückversicherungsverband IRV, Bern.

Kohli, A. (1998): Kolk an Gebäuden in Überschwemmungsebenen. Mitteilung Nr. 157, Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie, ETH, Zürich.

Kölz, E., In-Albon, Ch. (2012): Statische Probleme bei Hochwasserschutzmassnahmen, Risk&Safety AG, Aarau. (unveröffentlicht).

Rickenmann, D. (2014): Methoden zur quantitativen Beurteilung von Gerinneprozessen in Wildbächen. WSL Berichte, Heft 9, 2014. ISSN 2296-3456

Rickenmann, D. (1995): Beurteilung von Murgängen. Schweizer Ingenieur und Architekt, Nr. 48, Zürich.

Suter, U. (2013): Definition der Schutzhöhe beim Objektschutz Hochwassergefahren - Regelanwendung, Suter Hydro Engineering AG, Meilen.

USACE (1992): Flood Proofing Regulations. US Army Corps of Engineers, Publication No. 1165-2-314, US Government Printing Office, Washington.

Vanomsen, P. (2011): Wasserdichte Türen und Fenster – Übersicht der Normenwerke und ausgewählte Bauprodukte, Egli Engineering AG, St. Gallen und Bern.

VDI (2006): Schutz der Technischen Gebäudeausrüstung - Hochwasser - Gebäude, Anlagen, Einrichtungen. Verein Deutscher Ingenieure, VDI Richtlinie 6004, Düsseldorf.

VKF/BWG (2004): Entscheidungshilfe Mobiler Hochwasserschutz. Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen, Bern, Bundesamt für Wasser und Geologie, Biel.

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