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Erdbeben

Bei einem Erdbeben eingestürztes, weiches Erdgeschoss

Erdbeben können überall auftreten, jederzeit und ohne Vorwarnung. Historische Beispiele belegen auch für die Schweiz schwere Beben, die heute enorme Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft haben könnten. Die Bauweise hat den grössten Einfluss auf die Schäden im Ereignisfall. Systematisch erdbebengerecht zu Bauen ist somit die wirksamste Massnahme zur Begrenzung des Erdbebenrisikos. Dazu sind die aktuellen Baunormen (insbes. SIA 261 und SIA 269/8) konsequent einzuhalten, verlangen Sie von Ihren Baupartnern entsprechende Nachweise! Nicht erdbebengerecht erstellte Gebäude sind potenziell einsturzgefährdet und können bereits bei schwachen Erschütterungen erhebliche Schäden erleiden. Erdbebengerechtes Bauen ist kostengünstig, sofern früh in der Planung daran gedacht wird. Ziehen Sie sowohl bei Neu- wie auch bei Umbauten frühzeitig einen Ingenieur bei.

Erdbeben werden von ruckartigen Verschiebungen in Bruchzonen der Erdkruste hervorgerufen, die seismische Wellen abstrahlen. Von diesen Wellen angeregt, bewegt sich der Boden rasch in alle Richtungen. Die Fundamente von Bauwerken sind gezwungen, dieselben Bodenbewegungen mitzumachen. Die Massenträgheit eines Gebäudes wirkt diesen Bewegungen jedoch entgegen, die oberen Stockwerke möchten sozusagen „bleiben wo sie sind“. Diese dynamische Anregung des Bodens bringt die Gebäude in Schwingung. Je nach Intensität des Bebens und der Bauweise können plastische Verformungen des Tragwerks die Folge sein, mit lokalem Versagen bis hin zum Einsturz des Gebäudes.

Für Gebäude können die horizontalen Bewegungen besonders problematisch sein, wenn das Tragwerk primär auf die Abtragung vertikal wirkender Schwerelasten bemessen wird. Zudem sind nicht tragende Bauteile wie Fassadenelemente sowie Einrichtungen (z.B. Regale) und technische Installationen oft nicht (genügend) gegen Horizontalbewegungen gesichert und können umkippen oder herunterfallen.

Der Schweizerische Erdbebendienst SED registriert jährlich 1000 bis 1'500 Erdbeben. Etwa 20 dieser Beben werden von der Bevölkerung verspürt, meist ab Magnituden von 2.5. Die Magnitude gibt die Stärke eines Erdbebens an. Die Intensität (12 stufige Skala in römischen Zahlen) beschreibt die lokale Stärke der Erschütterungen basierend auf dem Ausmass der Zerstörung (Bauwerke, Landschaft) und der subjektiven Wahrnehmung des Beobachters. Die Intensität eines Bebens ist ortsabhängig und wird durch die Magnitude des Erdbebens, die Distanz zum Erdbebenherd und die Geologie (Untergrund) bestimmt.

Mögliche Auswirkungen von Erdbeben geordnet nach Intensität und Magnitude (Quelle: SED)
Mögliche Auswirkungen von Erdbeben geordnet nach Intensität und Magnitude (Quelle: SED)

Starke Erdbeben können jederzeit und überall in der Schweiz auftreten. Etwa alle 8 bis 15 Jahre ist mit einem Beben der Magnitude 5 zu rechnen, wie 1991 bei Vaz (GR) geschehen. Bei dieser Stärke treten mässige Schäden auf, es kommt aber auch zu grossen Mauerrissen und Zwischenwände können einstürzen. Erdbeben der Magnitude 6 sind alle 50 bis 150 Jahre zu erwarten und können bei nicht erdbebengerechten Gebäuden schwere Schäden oder gar den Einsturz bewirken. Das letzte Beben dieser Grössenordnung ereignete sich 1946 bei Sierre (VS). Das stärkste dokumentierte Beben in der Schweiz erreichte 1356 bei Basel eine Magnitude von ca. 6.6. Eine Wiederholung dieses Ereignisses heute könnte rund 2‘000 Todesopfer und 20‘000 Verletzte fordern. Zudem könnte eine halbe Millionen Menschen zumindest kurzfristig obdachlos werden, 150’000 Gebäude wären mittel bis stark beschädigt. Die entsprechenden Sachschäden beliefen sich auf 50 bis 100 Milliarden Schweizer Franken.

Historische Erdbeben in der Schweiz

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Legende
Legende zur Karte der historischen Erdbeben

Baugrundklassen: Gemäss SIA-Norm 261 werden die sechs Baugrundklassen A-F definiert für die Bestimmung der Erdbebeneinwirkung mit Berücksichtigung der lokalen Geologie.

Bauwerksklasse: Charakterisierung von Bauwerken (BWK I-III) gemäss der SIA-Normen 261 und 269/8 unter Berücksichtigung der Personenbelegung, der Bedeutung des Bauwerkes für die Allgemeinheit und der möglichen Umweltgefährdung im Falle einer Beschädigung.

Bodenverflüssigung: Unter Anregung durch Vibrationen verliert der Untergrund plötzlich seine Tragfähigkeit und verhält sich wie eine Flüssigkeit. Wassergesättigte, wenig kompakte sandige und siltige Böden sind besonders betroffen.

Dilatationsfuge: Bauliche Trennung von Tragwerken oder Gebäudeteilen, um Spannungsrissen vorzubeugen. 

duktil: Eigenschaft eines Werkstoffs oder Bauteils, sich unter Belastung plastisch (d.h. mit bleibender Formänderung) zu verformen, ohne zu versagen.

Epizentrum: Ort an der Erdoberfläche senkrecht über dem Hypozentrum.

Eigenfrequenz: Frequenz mit der ein Gegenstand schwingt, nachdem er einmal angestossen wurde. Die Eigenfrequenz von Gebäuden ist abhängig von der Bauweise, der verwendeten Materialien und der Höhe (für Gebäude liegt die Eigenfrequenz in der Regel zwischen 1 und 10 Hz). Die Frequenz mit der ein Objekt frei schwingt wird auch Grundfrequenz genannt.

erdbebengerecht: hält die Grundregeln des erdbebengerechten Bauens und die Normenanforderungen ein.

Erdbebenrisiko: Produkt aus der seismischen Gefährdung, dem Verstärkungspotential des Untergrunds, den exponierten Werten und der Verletzbarkeit der betroffenen Werte.

Erfüllungsfaktor: Quotient aus der Erdbebeneinwirkung, die zum Versagen eines Bauteils führt, und dem Überprüfungswert der Erdbebeneinwirkung (SIA 269/8).

Gebrauchstauglichkeit: Begriff zur Charakterisierung der Funktionstüchtigkeit eines Bauwerks gemäss der SIA-Tragwerksnormen 260 ff.

Hypozentrum: Lage des Erdbebenherdes im Untergrund, von wo aus sich seismische Wellen ausbreiten.

in-plane: Beanspruchung parallel zur Ebene (z.B. in Wandrichtung)

Intensität: beschreibt die Auswirkungen eines Bebens auf Menschen und Gebäude (Schaden) auf einer 12-stufigen Skala unter Berücksichtigung der Distanz zum Erdbebenherd und der Eigenschaften des Untergrunds. In Europa wird die EMS-98-Skala verwendet.

„kurze Stützen“ (short column effect): Versagen einer Stütze bei hoher Querkraftbeanspruchung und geringer frei verformbarer Länge.

Magnitude: gibt auf einer offenen logarithmischen Skala die bei einem Erdbeben freigesetzte Energie an. Die Erhöhung der Magnitude um eine Grösseneinheit entspricht der Freisetzung von ca. 30-Mal mehr Energie. Im Gegensatz zur Intensität ist die Magnitude eine ortsunabhängige Eigenschaft eines bestimmten Erdbebens.

out-of-plane: Beanspruchung senkrecht zur Ebene (z.B. der Wand oder der Decke)

plastische Verformungen: bleibende Verformungen (des Tragwerks)

Spektrale seismische Mikrozonierung: Untersuchungen zur Quantifizierung der lokalen Standorteffekte und Bereitstellung von standortspezifischen Antwortspektren. Unterschieden werden punktuelle Standortstudien (für einen einzelnen Standort) und spektrale seismische Mikrozonierungsstudien (für ein grösseres Gebiet). ((Link Publikation BAFU))

steifes / weiches Bauwerk: Durch eine starre/weiche Ausführung führen angreifende Kräfte zu geringen / grossen Verformungen.

Tragsicherheit: Sicherheit gegenüber Tragwerksversagen gemäss der SIA-Tragwerksnormen 260 ff., insbes. für Personen in Gebäuden.

Trägheitskräfte: Kräfte infolge Beschleunigung einer Masse.

verformungsempfindlich: spröde, wenig nachgiebige, begrenzt verformungsfähige Bauteile reagieren empfindlich auf Verformungen des Tragwerks.

weiches Geschoss („soft storey“): Geschosse mit sehr geringer Steifigkeit gegenüber Horizontalverschiebungen. Dies ist oft der Fall, wenn Versteifungselemente zugunsten grosser Räume und Gebäudeöffnungen weggelassen und die Schwerelasten nur durch Stützen getragen werden.

Schwere Erdbeben können wie kein anderes Naturereignis innert Minuten eine grossräumige Notlage herbeiführen, deren Bewältigung während Wochen bis Monaten ausserordentliche Massnahmen und Mittel erfordert. Im Europäischen Vergleich besteht in der Schweiz eine mittlere Erdbebengefährdung mit regionalen Unterschieden. Nebst der grossräumigen seismischen Gefährdung (Erdbebenzonen) beeinflusst die Beschaffenheit des Untergrunds, wie sich der Boden bei einem Beben bewegen kann.

Karte Erdbebenzonen gem. SIA 261 Anhang F

Die Auswirkungen von Erdbeben auf Gebäude hängen nebst der Bauweise massgeblich vom lokalen Untergrund ab: Weiche Böden verstärken die Erschütterungen, beispielsweise mächtige Sedimentschichten ehemaliger Fluss- und Seeablagerungen. Gewisse sandige und siltige Böden können sich unter Vibrationen sogar verflüssigen („Bodenverflüssigung“). Je solider der Untergrund (Fels), desto weniger verstärken sich die seismischen Wellen auf ihrem Weg bis zur Erdoberfläche und entsprechend geringer sind ihre Auswirkungen auf Gebäude. Die von Erdbeben ausgehende Gefahr beschränkt sich folglich nicht auf die Hot-Spots der seismischen Gefährdung wie dem Wallis und der Region Basel – je nach Untergrund sind viele weitere Standorte im Mittelland oder in den Alpentälern ebenso oder sogar noch stärker gefährdet.

Karte Baugrundklassen

Das Erdbebenrisiko wird weiter von den betroffenen Werten und der Verletzbarkeit von Gebäuden und Infrastruktur beeinflusst. Die Verletzbarkeit hängt primär von der Bauweise ab.

Erdbebenrisiko Schweiz (Quelle und weiterführende Informationen: SED)
Erdbebenrisiko Schweiz (Quelle und weiterführende Informationen: SED)

Die SIA-Norm 261 gibt die Anforderungen an erdbebengerecht erstellte Neubauten vor. Von Beginn weg im Entwurf berücksichtigt und konsequent umgesetzt, gewährleistet sie einen wirksamen und sinnvollen Schutz. Bis zum Bemessungsbeben (Erdbebeneinwirkungen für eine Wiederkehrperiode von 475 Jahren) dürfen nur mittlere reparierbare Gebäudeschäden entstehen, Personen in Gebäuden sollen geschützt sein. Aufgrund höherer Personenbelegung resp. zwecks Erhaltung wichtiger Infrastrukturfunktionen gelten für die Bauwerksklassen BWK II und BWK III erhöhte Anforderungen.

Bei Umbauten und Sanierungen ist frühzeitig in der Planungsphase abzuklären, ob eine Überprüfung der Erdbebensicherheit notwendig, beziehungsweise sinnvoll ist. Die Beurteilung der Erdbebensicherheit bestehender Gebäude erfolgt nach der SIA-Norm 269/8, wobei zusätzlich die beiden Bauwerksklassen BWK II-s für Schulen und Kindergärten sowie BWK II-i für Bauwerke mit bedeutender Infrastrukturfunktion unterschieden werden. Massgebend für den Handlungsbedarf sind einerseits der Erfüllungsfaktor der Erdbebensicherheit gemäss SIA 269/8 sowie die Verhältnismässigkeit allfälliger Schutzmassnahmen. Die Beurteilung hat durch einen auf Erdbebensicherheit spezialisierten Ingenieur zu erfolgen.

Gewisse Baugesetzgebungen verlangen explizit die Einhaltung der Erdbeben-relevanten SIA-Normen, andere nur implizit. Im Baubewilligungsverfahren gelten in den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Bern, Freiburg, Jura, Luzern, Nidwalden und Wallis spezifische Auflagen.

Die wichtigsten Gefährdungsbilder bei Erdbeben sind die Beschädigung, das Einstürzen von Gebäudeteilen oder ganzer Gebäude sowie das Um- und Abstürzen sekundärer Bauteile, Installationen und Einrichtungen (SBIE).

Gefährdungsbild 1: Lokales Versagen des Tragwerks ohne Einsturz

Die Beanspruchungen bewirken Risse, ein Abbröckeln von Wänden und Decken sowie bleibende Verformungen der Tragstruktur oder Beschädigungen an einzelnen tragenden Bauteilen. Interaktionen mit sehr steifen Bauteilen wie Mauerwerkswänden sowie „kurze Stützen“ (siehe Schadenarten/-ursachen) begünstigen solche Schäden am Tragwerk.

Gefährdungsbild 2: Versagen des Tragwerks mit Einsturz eines Gebäudeteils

Ungünstige Ausprägung von Gefährdungsbild 1, wobei einzelne Gebäudebereiche, ganze Geschosse oder das gesamte Gebäude einstürzen.

Gefährdungsbild 3: Kollaps weicher Geschosse

Bei einem Erdbeben eingestürztes, weiches Erdgeschoss

Das vollständige Zusammenfallen einzelner Geschosse ist eine spezielle und leider häufig beobachtete Form von Gefährdungsbild 2. Besonders gefährdet sind sogenannt „weiche Geschosse“, die aufgrund gross angelegter Räume oder grosszügiger Öffnungen eine (zu) geringe Stabilität aufweisen. Häufig sind Erdgeschosse mit gewerblicher Nutzung betroffen, v.a. wenn im Rahmen einer Umnutzung tragende Wände entfernt wurden (z.B. Kaufhäuser mit grossen Räumen und wandhohen Schaufenstern).

Gefährdungsbild 4: Sekundäre Bauteile, Installationen und Einrichtungen (SBIE)

Sekundäre Bauteile, Installationen und Einrichtungen (SBIE) wie heruntergehängte Decken, Leichtbauwände und Rohrleitungen wurden bei einem Erdbeben beschädigt.

Beispiele für SBIE: Trennwände, Decken- und Fassadenbekleidungen, Brüstungen, Kamine, Verglasungen, Aufzüge, Kanäle und Leitungen, technische Geräte der Haustechnik sowie Möbel und Einrichtungsgegenstände. Viele dieser nicht tragenden Elemente sind von erheblicher Masse, weshalb im Erdbebenfall entsprechend hohe Trägheitskräfte wirken. Nicht oder ungenügend befestigte Objekte geraten ins Schaukeln und können kippen, rutschen oder an andere Objekte anschlagen. Durch die Bewegungen und allfällige Verformungen des Tragwerks können SBIE zusammenbrechen, umkippen, sich ablösen oder herunterfallen und dadurch Personen verletzen und hohe Sachschäden verursachen. Ein Grossteil der durch Erdbeben hervorgerufenen Sachschäden sowie der Folgeschäden sind auf SBIE zurück zu führen.

Gefährdungsbild 5: Bodenverflüssigung

Bodenverflüssigung bei Erdbeben: Bestimmte sandige und siltige Böden mit hohem Wassergehalt können unter Vibrationen sich plötzlich wie eine Flüssigkeit verhalten.

Wenig kompaktierte, sandige oder siltige Böden können sich im wassergesättigten Zustand und unter Anregung durch Vibrationen wie eine Flüssigkeit verhalten und dadurch unmittelbar ihre Tragfähigkeit verlieren. In der Folge können Fundamente mitsamt dem Gebäude im Boden einsinken oder Kippen. Das Problem der Bodenverflüssigung betrifft auch Böden, die für ruhende Lasten eine sehr gute Tragfähigkeit aufweisen. Speziell an Standorten der Baugrundklasse F lohnt es sich, die lokale Gefahr von Bodenverflüssigung zu untersuchen.

Gefährdungsbild 6: sekundäre Ereignisse

Erschütterung durch Erdbeben können weitere Naturgefahren wie Rutschungen und Hangmuren, Bergstürze, Murgänge und Lawinen sowie Flutwellen auslösen. In betroffenen Gebieten können die Einwirkungen dieser sekundären Naturgefahren jene des Erdbebens übersteigen.

Zudem können bei Erdbeben auch Brände und Wasserschäden entstehen, verursacht durch Kurzschlüsse, offene Feuerstellen oder undichte Leitungen.

Mauerwerkswände

Mauerwerk ist steif aber zugleich sehr verformungsempfindlich. Bereits geringe Verschiebungen können Risse und grossflächige Ablösungen bewirken. Ein typisches Schadenbild sind Kreuzrisse diagonal zwischen Fenstern oder Ausfachungen, besonders in Gebäudeecken. Auf Beanspruchung senkrecht zur Wandebene reagiert Mauerwerk ebenfalls sehr empfindlich und spröde. Auch Mischsysteme von tragenden Mauerwerkswänden mit Stützen sind problematisch: Versagen tragende Mauerwerkswände, können sie Schwerelasten nicht mehr abtragen, was zum Totaleinsturz eines Gebäudes führen kann. Speziell bei historischen Gebäuden sind die Verbindungen zwischen Mauerwerktragwänden und Holzbalkendecken oft so schwach, dass ganze Wände umkippen können. 

Schäden an Stahlbetontragwänden

Geraten Gebäude in Schwingung, können sich Stahlbetontragwände plastisch verformen und dadurch Schäden erleiden. An nicht explizit auf diese Belastungen bemessenen Bereichen sind strukturelle Schäden mit möglicherweise spröden Versagensmechanismen (z.B. Schubbruch) zu erwarten. Eine häufige Ursache für solche massiven Schäden sind (ungeplante) Aussparungen und Öffnungen in Tragwänden.

Versagen von Stützen / weiche Geschosse

Stützen können Schwerelasten gut vertikal abtragen. Bei horizontalen Verschiebungen in Gebäuden die nicht genügend ausgesteift sind konzentrieren sich die grössten plastischen Verformungen jedoch auf die Stützenenden oben und unten. An diesen Schwachpunkten können sich Stützen stark verformen oder brechen. Die typischen Schadenbilder reichen von schief gestellten Stützen bis hin zum vollständigen Kollaps ganzer Stockwerke (Gefährdungsbild 3).

Eine häufige Einsturzursache von Gebäuden sind sog. „kurze Stützen“ mit geringer Länge im Verhältnis zum Durchmesser. Durch die ungünstige Konzentration von Querkräften drohen solche Stützen durch Schubbruch zu versagen. Oft entstehen „kurze Stützen“ durch Brüstungen, die den unteren Teil der Stützen seitlich versteifen.

Fassadensysteme und Verkleidungen

Ähnlich wie Mauerwerkswände reagieren Fassadenbauteile empfindlich auf Verformungen (v.a. steife und fugenlos eingebaute Elemente) und Beschleunigungen (v.a. schwere Elemente). Zudem sind sie oft unzureichend gegen horizontale Beanspruchungen geschützt.

Fenster und Glasfassaden

Verglasungen und andere starre Bauteile der Gebäudehülle reagieren sehr empfindlich auf Verformungen des Tragwerks, v.a. wenn sie fugenlos verbaut sind. Auch einzelne Fenster können durch die sich verformenden Fensterrahmen zerbersten.

Interaktion mehrerer Gebäude oder Gebäudeteile (Fugen nicht fachgerecht)

Durch das Zusammenprallen benachbarter Gebäude oder Gebäudeteile können erhebliche Schäden entstehen. Insbesondere wenn die Geschossdecken auf unterschiedlicher Höhe liegen und gegen Stützen des benachbarten Gebäudes prallen, besteht hohe Einsturzgefahr.

Analog entstehen Schäden beim Aneinanderprallen von SBIE mit anderen Gebäudeelementen.

Einsinken oder Verkippen des Fundaments

Bei Bodenverflüssigung oder sehr ungleicher Tragfähigkeit des Baugrunds können ganze Gebäude einsinken und umkippen.  

Die SIA-Norm 261 gibt die Anforderungen an erdbebengerecht erstellte Neubauten vor und gewährleistet bei konsequenter Umsetzung einen wirksamen Schutz vor Erdbeben. Entscheidend ist der frühe Einbezug des Themas in den konzeptionellen Entwurf. Ziehen Sie bereits für die Vorstudien einen auf Erdbebensicherheit spezialisierten Ingenieur bei. So finden Sie sehr effizient zu eleganten Lösungsvarianten und reduzieren Aufwand und Kosten im späteren Verlauf der Projektierung und Realisierung. Bei bestehenden Gebäuden können die Überprüfung der Erdbebensicherheit gemäss SIA 269/8 und die Verbesserung der Erdbebensicherheit notwendig sein.

Vorschläge für Schutzmassnahmen zu einzelnen Bauteilen und zum konzeptionellen Vorgehen:

Naturgefahren-Check

Bachmann, H. (2015): Wenn Bauwerke schwingen. Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen in der Schweiz – Geschichte und Geschichten. Vdf, Zürich.

Bachmann, H. (2002): Erdbebengerechter Entwurf von Hochbauten – Grundsätze für Ingenieure, Architekten, Bauherren und Behörden. Richtlinien des BWG, Biel.

BAFU (2020): Erdbebenrisiko grosser Gebäudebestände: Stufenweises Verfahren zur Identifizierung von kritischen Gebäuden. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 2014: 57 S.

BAFU (2019): Erdbeben im Notfall- und Kontinuitätsmanagement. Hilfestellung für Infrastrukturbetreiber zur Überprüfung ihrer Vorsorge- und Notfallplanungen. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 1903: 30 S.

BAFU (2021): Erdbebengerechte Neubauten in der Schweiz. Worauf es ankommt – und warum. Bundesamt für Umwelt (BAFU) und Stiftung für Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen.

BAFU (2021): Ist unser Gebäude genügend erdbebensicher? Wann eine Überprüfung und eine Verbesserung sinnvoll sind – und warum. Bundesamt für Umwelt (BAFU) und Stiftung für Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen.

Baudyn (2010): Erdbebensicherheit von Gebäuden – Rechts- und Haftungsfragen. Worauf es ankommt – und warum. Stiftung für Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen, www.baudyn.ch, Schweizer Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik SGEB, www.sgeb.ch, Institut für Schweizerisches und Internationales Baurecht, Universität Freiburg.

Braune F., Berweger A., Vogt R., Szczesiak T. (2016): Erdbebensicherheit sekundärer Bauteile und weiterer Installationen und Einrichtungen. Empfehlungen und Hinweise für die Praxis. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 1643: 98 S.

Brunner, R., Jung, P., Steiger, R., Wenk, T., Wirz, N. (2010): Erdbebengerechte mehrgeschossige Holzbauten. Technische Dokumentation der Lignum.

Gunzenhauser, M., Herbst, C., Tosolini, E. (2018), Leitfaden Gebäudebeurteilung nach Erdbeben. Organisatorische Aspekte der Vorbereitung und Durchführung. Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS (Hrsg.), Bern.

Jamali N., Kölz E. (2018): Überprüfung des Tragwiderstand von Mauerwerkswänden quer zur Wandebene unter Erdbebeneinwirkung gemäss SIA 269/8, Technische Anwendungshilfe, Bundesamt für Umwelt.

Lestuzzi P., Badoux M. (2013): Evaluation parasismique des constructions existantes: Bâtiments en maçonnerie et en béton armé, PPUR Presses polytechniques et universitaires romandes, 240 pp.

Lestuzzi P., Badoux M. (2008): Génie parasismique: conception et dimensionnement des bâtiments, PPUR presses polytechniques et universitaires romandes, 327 pp.

Mayoraz J., Lacave C., Duvernay B. (2016): Erdbeben: Karten der Baugrundklassen. Erstellung und Verwendung. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 1603: 48 S.

Promur (2015): Erdbebensicher Bauen mit Mauerwerk. Promur – Schweizer Industriepartner für das Mauerwerk, Bern.

Studer J., Koller M., LaueJ. (2008): Bodendynamik, Grundlagen, Kennziffern, Probleme und Lösungsansätze, Springer, 340pp.

Wenk T. (2008): Erdbebenertüchtigung von Bauwerken. Strategie- und Beispielsammlung aus der Schweiz. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 0832: 84 S.

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